Coronavirus: Was sind meine Rechte am Arbeitsplatz?

Im Schweizer Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos und unumstösslich. Es kann vorkommen, dass ein Arbeitnehmender Lohnanspruch erheben kann, obwohl keine Arbeit geleistet wurde. Im Zusammenhang mit dem Coronavirus gibt es zurzeit viele verschiedene Konstellationen, in welchen die Arbeitsleistung nicht erbracht wird bzw. nicht erbracht werden kann. Wir zeigen Ihnen auf, wann Sie für die nicht geleistete Arbeit Lohnzahlungen erhalten müssen und wann nicht. Auch zeigen wir Ihnen auf, welche Weisungen befolgt werden müssen und welche nicht:

  • Was ist Kurzarbeit?

    Arbeitgeber sind aufgrund des abgeschlossenen Arbeitsvertrages verpflichtet, ihren Arbeitnehmern die Ausführung des vereinbarten Arbeitspensums zu ermöglichen. Aufgrund veränderter Umstände kann es jedoch vorkommen, dass der Arbeitgeber für einen gewissen Zeitraum dazu nicht in der Lage ist. Genau das passiert im Moment in der Coronakrise: Gastronomiebetriebe, Einkaufszentren, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe mussten ihren Betrieb aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen vorerst komplett einstellen. Andere Betriebe können zwar weiterhin aktiv bleiben, haben aber aufgrund der sinkenden Auftragslage oder wegen Schwierigkeiten im Import und Export weniger Arbeit an ihre Arbeitnehmenden weiterzugeben. Die Arbeitgeber sind somit nicht in der Lage, die mit ihren Arbeitnehmenden vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung anzubieten und sind daher verpflichtet, den ausfallenden Lohn weiterhin zu bezahlen. Da jedoch zwischenzeitlich die Einnahmen in den betroffenen Betrieben ebenfalls ausbleiben oder massiv sinken, können die Arbeitgeber in Zahlungsnöte gelangen und laufen dadurch Gefahr, Ihre Arbeitnehmenden entlassen oder sogar Konkurs anmelden zu müssen.

    In dieser Situation sorgt das Institut der Kurzarbeit für Abhilfe. Die Arbeitslosenkassen leisten Kurzarbeitsentschädigungen und unterstützen damit die Arbeitgeber, damit sie nicht die gesamten Lohnkosten selber tragen müssen. Gleichzeitig verzichten die Arbeitnehmenden im Sinne eines Kompromisses auf 20% der Vergütung jener Arbeitsleistung, welche sie zurzeit nicht erbringen können und müssen zumindest vorerst nicht mit einer Kündigung rechnen.

    Die Kurzarbeitsentschädigung wird dem Arbeitgeber und nicht den Arbeitnehmenden ausbezahlt. Als Arbeitnehmer haben Sie also im Zusammenhang mit der Kurzarbeit keinerlei Verpflichtungen gegenüber der Arbeitslosenkasse.

  • Was muss ich als Arbeitnehmer*in zur Kurzarbeit zwingend wissen?

    Ihr Arbeitgeber kann nur dann Kurzarbeit beantragen, wenn auch effektiv weniger gearbeitet wird. Nur weil Sie zurzeit im Homeoffice arbeiten, aber nach wie vor genügend ausgelastet sind, um Ihrem Pensum gerecht zu werden, kommt die Kurzarbeit nicht zum Zug. In diesem Fall müssen Sie zwingend weiterhin Ihren vertraglich vereinbarten Lohn erhalten.

    Ihr Arbeitgeber hat zwar die Kurzarbeit beantragt, aber das Gesuch wurde abgelehnt. Er stellt sich nun auf den Standpunkt, er müsse den Lohnausfall nicht tragen, zumal er auch keine Kurzarbeitsentschädigung erhält. Diese Einschätzung ist falsch. Wenn die Kurzarbeit nicht bewilligt wird, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, weiterhin den vertraglich vereinbarten Lohn zu bezahlen – auch wenn Sie weniger gearbeitet haben.

    Kurzarbeitsentschädigungen sind nur dann möglich, wenn ein sog. «anrechenbarer Verdienstausfall» vorliegt. Ein solcher liegt nur vor, wenn Sie mind. 10% weniger gearbeitet haben als sonst. D.h. nur wenn Sie in einem 100%-Pensum einmal an einem Freitagnachmittag etwas früher ins Wochenende gehen, heisst das nicht, dass diese Minusstunden gleich in die Kurzarbeit fallen.

    Wichtig ist, dass Sie Ihre Lohnabrechnungen Ende Monat gut kontrollieren und den Lohn für die effektiv geleistete Arbeit und jenen für die ausgefallene Arbeit nachprüfen.

    Im Zusammenhang mit der Coronakrise wurden einige Formalitäten und Voraussetzungen zur Einreichung des Gesuchs um Kurzarbeit angepasst bzw. erleichtert. Sie müssen daher als Arbeitnehmer der Kurzarbeit nicht zustimmen. Wenn Sie also von Ihrem Arbeitgeber nicht um Zustimmung gebeten wurden, hat dies zurzeit seine Richtigkeit.

  • Erhalte ich Lohnfortzahlung, wenn ich mich vor einer Ansteckung fürchte und deshalb zu Hause bleibe?

    Grundsätzlich erhalten Sie in dieser Fallkonstellation keine Lohnfortzahlung, denn es handelt sich um eine selbstverschuldete Arbeitsverweigerung. Anders sieht es aus, wenn Ihr Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt, indem er die Hygiene- und Gesundheitsmassnahmen des Bundes massiv missachtet und daher die Gefahr einer Ansteckung an Ihrem Arbeitsort fördert. Unter diesem Umstand wäre die Verweigerung der Arbeitsleistung berechtigt und Sie hätten entsprechend Anspruch auf Lohnfortzahlung.

  • Erhalte ich Lohnfortzahlung, wenn mich mein Arbeitgeber wegen Ansteckungsgefahr nach Hause schickt?

    Wenn Ihr Arbeitgeber freiwillig auf Ihre Arbeitsleistung verzichtet, obwohl Sie diese angeboten haben, haben Sie Anspruch auf Lohnzahlung. Die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Entscheidung muss der Arbeitgeber selbst tragen. Während dieser Zeit dürfen Ihnen auch keine Ferientage berechnet werden. Der Zeitpunkt der Ferien darf zwar der Arbeitgeber bestimmen, dieser muss aber frühzeitig und in Absprache mit den Arbeitnehmenden festgelegt werden.

  • Was ist der Unterschied zwischen Selbstisolation und Selbstquarantäne und habe ich in dieser Zeit Anspruch auf Lohn?

    Bei einer Selbstisolation hat man sich mit dem Virus angesteckt und bleibt daher bis 24 Stunden nach Abklingen der Krankheittsymptome zu Hause. Bei der Selbstquarantäne hat man sich (noch) nicht mit dem Virus angesteckt, hatte aber nahen Kontakt zu erkrankten Personen und sollte dehalb 5 Tage zu Hause bleiben. Die Arbeitsfähigkeit ist in diesen Situationen nicht per se ausgschlossen, trotzdem können Sie nicht zur Arbeit erscheinen. In diesen Situationen kann Ihr Arbeitgeber Sie verpflichten, Ihre Arbeit weiterhin im Homeoffice auszuführen. Sollte aufgrund Ihrem Tätigkeitsgebiet die Option des Homeoffice nicht möglich sein, so schuldet Ihr Arbeitgeber Ihren Lohn trotz ausbleibender Arbeitsleistung.

  • Was passiert, wenn ich im Ausland bin und aufgrund des Coronavirus keinen Rückflug antreten kann?

    Hier muss unterschieden werden, ob Sie sich auf einer Geschäftsreise oder auf einer privaten Reise befinden. Sollten Sie geschäftlich gereist sein, von welchem Sie nun nicht zurückkehren können, dann ist Ihr Arbeitgeber in der Pflicht, Ihnen hierfür Lohnersatz zu leisten. Anders verhält es sich bei einer Reise, die Sie privat unternommen haben. Wenn sich Ihre Ferien ungewollt verlängern, fällt dies nicht in das Betriebsrisiko Ihres Arbeitgebers und Sie haben für die entstandene Absenz keinen Lohn zugute.

  • Mein Arbeitgeber will, dass ich eine Geschäftsreise antrete. Darf ich mich der Reise verweigern?

    Grundstzlich müssen Weisungen des Arbeitgebers befolgt werden. Selbstverständlich gibt es wie immer auch hier Ausnahmen. Der Arbeitgeber darf beispielsweise keine Weisung erteilen, welche sich auf den Arbeitnehmer gesundheitsschädigend auswirken wird. Entsprechend müssen solche Weisungen gar nicht erst befolgt werden. Inwiefern eine Reise tatsächlich als gesundheitsschädigend einzustufen ist, muss in jedem Einzelfall separat entschieden werden.

  • Darf mir mein Arbeitgeber verbieten, in meinen Ferien ins Ausland zu fliegen oder in meiner Freizeit die öV zu benutzen?

    Genauso wie der Arbeitgeber keine gesundheitsschädliche Arbeit anweisen darf, ist es auch nicht möglich Weisungen über ausserdienstliches Verhalten zu erteilen. Entsprechend darf Ihnen Ihr Arbeitgeber keine Vorschriften machen, wie Sie sich in Ihrer Freizeit verhalten müssen. Nichtsdestotrotz darf der Arbeitgeber entsprechende Verhaltensempfehlungen an seine Mitarbeiter richten. Sollten Sie sich einer solchen widersetzen und sich deshalb danach in Selbstquarantäne begeben müssen, ist fraglich, inwiefern Sie Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, zumal es sich um eine selbstverschuldete Arbeitsverhinderung handeln könnte.

Ein Typ namens Feierabend wird vermisst

Die Kommission wird im Frühjahr eine Resolution zur Flexibilisierung der Arbeitszeit an die Delegiertenversammlung einreichen. Die Bürgerlichen verlangen mehr Flexibilität. Sie wollen das Arbeitsgesetz fit machen für die Industrie 4.0. Ausweiten von Höchtsarbeitszeiten pro Tag und Woche, Aufhebung von Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot, Verletzung von Ruhe- und Pausenzeiten und die Abschaffung der Arbeitszeiterfassung sollen es richten. Doch wem dient dies am meisten? Wohl eher dem Arbeitgeber als den Arbeitnehmenden. Wir sind der Meinung, dass das Arbeitsgesetz schon heute flexible Arbeitsmodelle ermöglich und auch Homeoffice problemlos möglich ist.

Die Psyche kommt immer mehr unter Druck

Gemäss einer Statistik von Arbeitsmedizinern sind 84% von betrieblichen Absenzen krankheitsbedingt. Arbeitszeit und Freizeit vermischen sich immer mehr. Erholung und Entspannung werden kürzer oder verschwinden zeitweise ganz. Man will Familie und Beruf gerecht werden, alles unter einen Hut bringen und nichts vernachlässigen. Doch plötzlich fällt das ‚Abschalten‘ immer schwerer und führt zu Schlafstörungen. Es drohen Überlastung und psychosomatische Belastungsstörungen. Auf die Dauer macht das den Menschen krank.     

Schlagwörter wie Digitalisierung, Globalisierung, Industrie 4.0, Innovation etc. fliegen uns täglich um die Ohren und stellen uns vor neue Herausforderungen. Jetzt stehen die Arbeitgeber in der Verantwortung. Sie sollen soziale Verantwortung übernehmen und Rahmenbedingungen schaffen, welche ihrem wichtigsten Kapital – ihren Mitarbeitenden die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit erlaubt.

Das Arbeitsgesetz dient dem Schutz von Arbeitnehmenden. Die Planbarkeit der Arbeit sowie geregelte Arbeitszeiten sind ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitsschutzes. Vielleicht treffen wir dann auch wieder unseren Kollegen – den Feierabend – öfters an.

Sandra Bruhin, Co-Päsidentin der Kommission Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik

Kommission Wirtschafts- und Arbeitsmarkt­politik

ArbeitAargau ist die Stimme der Arbeitnehmenden im Aargau und beschäftigt sich im Rahmen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unter anderem mit folgenden Themen:

  • Hightech-Strategie
  • Standortförderung
  • Schwarzarbeit
  • Personenfreizügigkeit
  • Arbeitslosigkeit
  • TTIP und TISA
  • Deregulierung
  • Prekarisierung
  • Mindestlöhne
  • Normalarbeitsverträge

Interessieren dich diese Themen und willst du die politische Diskussion aus Sicht der Arbeitnehmenden mitprägen? Bist du Expertin oder Experte auf einem dieser Gebiete oder willst es gerne werden? Kennst du diese Themen aus praktischer Erfahrung und hast Visionen, Ideen, Wünsche? Hast du Lust, die Position von ArbeitAargau zu gestalten?

Für die Kommission Wirtschaft- und Arbeitsmarktpolitik suchen wir Mitglieder. Bei Interesse darfst du dich gerne bei der Geschäftsstelle von ArbeitAargau melden.