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Gastbeitrag von Stefan Giger: „Nein zum BVG-Bschiss“
Die BVG-Revision (=Pensionskassengesetz) enthält wohl einige positive Elemente: Es ist sinnvoll, wenn die Eintrittsschwelle etwas gesenkt wird und der Koordinationsabzug etwas vernünftiger gestaltet – aber in erster Linie ist die BVG-Revision ein Milliardengeschenk an die Versicherungsgesellschaften.
Von Stefan Giger*
Wo und wie verdienen Versicherungsgesellschaften am BVG? Die Sammelstiftungen der Versicherungsgesellschaften führen vor allem Vorsorgepläne nach gesetzlichem Minimum oder wenig über dem gesetzlichen Minimum. Ihre Versicherten sind die Hauptbetroffenen der BVG-Revision. Und diese Versicherten werden heute schon geschröpft.
Hier das Beispiel der Helvetia-Versicherung: In der Pensionskasse wird nicht nur für das Alter gespart, es werden auch die Risiken Tod (Witwen-/Waisenrenten) und Invalidität versichert. Das funktioniert wie eine Autoversicherung: Wer einen Schaden hat, kriegt eine Versicherungsleistung, wenn kein Schaden eintritt, gehört die Prämie der Versicherungsgesellschaft. Diese «Risikoprämien» kriege ich nie zurück, sie werden nicht zur Freizügigkeitsleistung gerechnet.
Im Jahre 2023 kassierte die Helvetia (Auszug aus Geschäftsbericht «Kollektiv-Leben») rund 184 Millionen Prämien, die Aufwendungen betrugen aber nur 85 Millionen – Helvetia hat fast 100 Millionen zu hohe Prämien kassiert.
Das war kein einmaliger «Ausreisser», auch in den Vorjahren waren die Prämien viel zu hoch:
- 2022: um 62 Millionen zu hohe Prämien
- 2021: um 103 Millionen zu hohe Prämien
- 2020: um 100 Millionen zu hohe Prämien
- 2019: um 143 Millionen zu hohe Prämien
- 2018: um 83 Millionen zu hohe Prämien
- 2017: um 184 Millionen zu hohe Prämien
Im letzten Jahrzehnt also insgesamt rund eine Milliarde zu hohe Prämien bei einer einzigen Versicherung. Die anderen Versicherungsgesellschaften bedienen sich ebenso ungeniert. Hier ein Beispiel der Basler Versicherung (Ausschnitt aus Original-Prämienaufstellung):
Diese Versicherten (aus einen KMU) bezahlten viel zu hohe Risikoprämien, die Hälfte der insgesamt bezahlten Pensionskassenbeiträge gingen als überrissene Risikoprämien an die Versicherung. Die Prämienlast war dreimal höher als marktübliche, kostendeckende Risikoprämien.
Nun jammern die Versicherungsgesellschaften, der gesetzliche Mindestumwandlungssatz auf dem Sparkapital (Alterskapital, das durch die Sparbeiträge geäufnet wird) sei zu hoch. Mit genau dieser Begründung verrechneten und verrechnen bis heute die Versicherungsgesellschaften nur mickrige Sparzinsen. Auf dem gesetzlichen Minimalkapital müssen sie zwar den BVG-Mindestzins gewähren; auf jedem Franken, der über das BVG-Minimum hinausgeht, wird noch weniger angerechnet. Nochmals die Helvetia als Beispiel:
So haben die Versicherungsgesellschaften im Lauf der Jahre Milliarden an Reserven angehäuft. Dazu gibt es sogar eine Statistik der FINMA (Finanzmarktaufsicht) – die FINMA hat das Dokument zwar gut auf ihrer Website versteckt, deshalb hier als Grafik:
Blau dargestellt: Was kommt total bei allen Versicherungsgesellschaften rein. Rot dargestellt: Was geht total bei allen Versicherungsgesellschaften raus
- 2’491 Millionen Erträge aus den Kapitalanlagen – demgegenüber werden nur 1’898 Millionen an die Versicherten gegeben
- 1’921 Millionen Erträge aus Risikoprämien – demgegenüber werden nur 1’377 Millionen Leistungen erbracht.
- Das Marketing kostete 661 Millionen – darin enthalten die Zahlungen an die Broker, die die Unternehmen überzeugen, sich doch bei einer Versicherungsgesellschaft zu versichern.
Kurzum: Mit dem bisherigen Gesetz scheffeln die Versicherungsgesellschaften im BVG bereits heute Milliarden, trotz Umwandlungssatz von 6,8%. Nun soll der Umwandlungssatz gesenkt werden – das Gewinnpotenzial der Versicherer wird noch grösser. Nichts hingegen wird unternommen, um die Abzockerei mit überrissenen Risikoprämien und miserablen Verzinsungen zu unterbinden.
Stefan Giger ist ehem. Generalsekretär des VPOD und ehem. Mitglied der Eidg. Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV