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Hitzige Debatte zum Aargauer Steuer-Bschiss

Gestern Abend fand die von ArbeitAargau organisierte Podiumsdiskussion zur Steuergesetzrevision statt. Maya Bally, Peter Gehler, Carol Demarmels und Reto Wyss diskutierten die wichtigsten Argumente für und gegen die Steuergesetzrevision und stellten sich anschliessend den kritischen Fragen aus dem Publikum.

ArbeitAargau hat die Nein-Parole zur Steuergesetzrevision gefasst und im Hinblick auf die Abstimmungen am 15. Mai 2022 eine Podiumsdiskussion dazu organisiert. Geleitet und moderiert wurde sie von Mathias Küng, als Befürworter:innen waren Maya Bally, Grossrätin Die Mitte und Peter Gehler, Vizepräsident AIHK und VR-Vizepräsident der Siegried auf dem Podium, während auf der gegnerischen Seite Carol Demarmels, Grossrätin SP und Finanzmathematikerin sowie Reto Wyss, Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes standen.

Tunnelblick auf Steuerbelastung ist unzureichend!

Die Diskussion auf dem Podium war belebt und teilweise hitzig, aber stets auf sehr hohem Niveau. Der wohl wichtigste und auch folgenschwerste Aspekt der Steuergesetzrevision wurde sogleich zu Beginn in Angriff genommen: Die sukzessive Senkung der Firmensteuern ab einem Gewinn von Fr. 250‘000.- von 18.6 auf 15.1 Prozent. Bally und Gehler waren klar der Ansicht, die Senkung der Gewinnsteuern für die Unternehmen sei spätestens seit der STAF-Abstimmung ein längst überfälliger Schritt und da die Kantonsfinanzen heute eine entsprechende Senkung zuliessen, könne der Zeitpunkt einer Revision sowohl für die Unternehmen als auch für die natürlichen Personen nicht besser gewählt sein. Weiter wurde angeführt, der Kanton Aargau sei punkto Standortattraktivität aufgrund der aktuellen Steuerbelastung im Vergleich mit den anderen Kantonen auf den hintersten Plätzen, weshalb der Handlungsbedarf gross sei. Demarmels und Wyss wehrten sich entschieden gegen diese Argumentation, der Tunnelblick auf den Steuersatz sei unzureichend, der Kanton Aargau schneide in aktuellen Studien zur Standortattraktivität sehr gut ab. Demarmels betonte in diesem Zusammenhang, dass insbesondere bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Jugendarbeitslosigkeit angesetzt und eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf angestrebt werden müsse, um den Wirtschaftsstandort Aargau weiter zu stärken. „Ausschlaggebend ist dabei die Berücksichtigung von verschiedenen Standortfaktoren in einem ausgeglichenen Mix. Diesem Gesamtpaket muss Sorge getragen werden, anstatt durch Steuergeschenke den Kanton seiner Handlungsfähigkeit zu berauben.“, ergänzte Wyss. Bally konnte ihren Diskussionsgegner:innen zwar dahingehend zustimmen, dass auch andere Standortfaktoren zu berücksichtigen seien, dieses Gesamtpaket aber erst dann ins Lot komme, wenn auch die Steuerbelastung abnehme. Gehler entgegnete zudem, dass aufgrund der dynamischen Effekte mit mehr Steuereinnahmen gerechnet werden könne: „Diese Steuergesetzrevision ist enorm wichtig für den Kanton Aargau, ansonsten verliert er doppelt und dreifach an Steuergeldern.“ Dass die dynamischen Effekte wie prognostiziert eintreffen werden, bezweifelte Demarmels stark: „Nach der letzten Steuersenkung waren die Reservekassen leer und es wurden Abbaumassnahmen ergriffen. Dass der Kanton heute derart gewinnstarke Abschlüsse vorweisen kann, liegt nicht etwa an höheren Steuereinnahmen, sondern hängt vielmehr damit zusammen, dass die Ausgaben massiv weggekürzt wurden.“ Deshalb sei es so wichtig, in einem nächsten Schritt diese Kürzungen wieder rückgängig zu machen, anstatt das zerstörerische Steuerdumping weiter voranzutreiben.

Erhöhung des Versicherungsabzuges als pseudosoziale Familienpolitik

In einem zweiten Schritt wurde die Erhöhung des Pauschalabzuges für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen um 50 Prozent diskutiert. Demarmels und Wyss bezeichneten die Erhöhung des Versicherungsabzuges als pseudosoziale Familienpolitik, da auch hier nur die Besserverdienenden effektiv profitieren können. Viel mehr Handlungsbedarf sahen sie bei der individuellen Prämienverbilligung (IPV). „Die Prämienbelastung hat sich verdoppelt, während die Investitionen in die IPV halbiert wurden!“, empörte sich Wyss. Bally und Gehler hingegen betonten, dass der aktuelle Pauschalabzug seit über 20 Jahren unverändert blieb, während die Prämienlast enorm stark anstieg – eine entsprechende Anpassung sei daher angezeigt. „Niedrigverdienende werden im Kanton Aargau bereits relativ umfassend entlastet, jetzt ist es an der Zeit, dass auch der Mittelstand berücksichtigt wird.“, betonte Bally. Wyss entgegnete, dass aufgrund der aktuellen Krisensituation mit einer Inflation von 2 Prozent und einem Prämiensprung von 5 bis 10 Prozent gerechnet werden muss, dies bedeute Mehrausgaben von bis zu Fr. 3‘000.- pro Familie. Es sei ein riesiges Problem – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Wirtschaft, da die Kaufkraft dadurch sinke.

„Die Gemeinden werden auf die Welt kommen!“

Eine weitere wichtige Frage stellt sich für die Gemeinden: Was bedeutet die Steuergesetzrevision für die kommunalen Kassen? Selbstverständlich schieden sich auch hier die Geister, denn während Gehler beschwichtigte, die Gemeinden seien die letzten, die schlecht wegkommen könnten, schlug Wyss Alarm, denn diese würden erst recht „auf die Welt kommen“. Demarmels betonte, die Ausgleichszahlungen seien reine Augenwischerei und wies darauf hin, dass die natürlichen Personen mit höheren Steuerfüssen und höheren Gebühren rechnen müssen. Bally hingegen erklärte, dass es immer schon Gemeinden mit strukturellen Problemen gab: „Diese strukturellen Probleme bleiben bestehen, unabhängig von einer allfälligen Steuergesetzrevision. Dafür gibt es den Finanz- und Ressourcenausgleich.“

Demokratiefeindliche Vorlage und taktisches Kalkül?

Ein Dorn im Auge ist ausserdem für Viele, dass die Senkung der Firmensteuern zusammen mit dem Versicherungsabzug in eine Vorlage verpackt wurde. Gehler meinte, es handle sich um ein komplexes Gesamtwerk, das zwingend zusammengehöre, gerade auch aufgrund der Ausgleichszahlungen an die Gemeinden und Bally argumentierte, dass es sich um eine ausgeglichene Vorlage handelt, mit Vorteilen für die Unternehmen, aber auch für die Privaten – die Einheit der Materie sei ausserdem gewahrt. Demarmels und Wyss hingegen bezeichneten die Zusammenführung in eine Vorlage als taktischer Streich der Bürgerlichen, was demokratiefeindlich sei, denn man nehme der Bevölkerung die Möglichkeit, sich getrennt über die Firmensteuer und den Pauschalabzug zu äussern.

Zum Glück hat das Aargauer Stimmvolk das letzte Wort

Abschliessend lässt sich eines mit Sicherheit feststellen: Die Podiumsteilnehmer:innen wurden sich bis am Schluss bei weitem nicht einig und hätten die Diskussion wohl noch über Stunden fortsetzen können. Zum Glück hat die Aargauer Stimmbevölkerung das letzte Wort und wird am 15. Mai 2022 darüber entscheiden, ob es sich um eine massvolle und ausgewogene Vorlage handelt, die zwei verschiedene Missstände behebt oder ob wir es vielmehr mit einem Aargauer Steuer-Bschiss zu tun haben, für den alle Aargauer:innen bezahlen müssen und zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stillstand führen wird. Die Haltung von ArbeitAargau ist klar, diese Vorlage beruht auf einer unzureichenden Milchbüchlirechnung, die dem Kanton kein mehr Handlungsspielraum lässt, den Arbeitnehmenden und der Wirtschaft schadet und deshalb verhindert werden muss.

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